Herbsttage - Wildefalls 2004

Der Film „Herbsttage“ fängt die Impressionen durch den Übergang von Sommer zu Winter im Cimetière du Père-Lachaise in Paris sowie im Cimitero di Staglieno in Genua audiovisuell ein. Der fiktionale Dialog zwischen Oscar Wilde und seiner Frau Constance transportiert das Gefühl der Vergänglichkeit in unsere Gegenwart. Die Empfindung von Schuld und Reue, Constances Aufopferung und Verletzungen im irdischen Leben, die mit dem Tod aufhören zu existieren und somit „sinnlos“ werden, bildet das zentrale Thema des Films. Ihr nichtgelöster Konflikt im Dasein wird im Jenseits wieder aufgenommen. Anhand eines rezitierten, fiktiven „Briefwechsels“ kommunizieren die beiden Ruhestätten miteinander.

Der Versuch einer Annäherung, einer Aussöhnung, Oscars Auseinandersetzung mit seiner Schuld und Reue gegenüber seiner Frau überwindet in der Transzendenz das Unausgesprochene sowie die Grenzen der Vergänglichkeit und lässt die Friedhöfe zu einem „möglichen“ Ort der Vergebung verschmelzen.

Ihre Ehe im Dasein, die zu Beginn auf einer starken Zuneigung basierte, ihr Glück war nur von kurzer Dauer. Oscars Auffassung vom Bund der Ehe beschreibt er in seinem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“.

 

„ Männer heiraten, weil sie müde sind, Frauen weil sie neugierig sind; beide werden enttäuscht.“

 

Die Neigungsehe wandelte in eine Abneigung der Ehe. Mit der Geburt der beiden Söhne Cyril und Vyvyan Wilde entfremdete sich Oscar Wilde entgültig von seiner Frau. Aus dem „schönen Mädchen, zart und schlank wie eine Lilie“, das er einst geheiratet hatte, war nach zwei Schwangerschaften aus seiner Sicht eine Frau geworden, deren „blütengleiche Anmut“ verwelkt war. Er bezeichnete sie als „füllig, unförmig, hässlich“ und die sich “unsagbar elend, mit verzerrtem, fleckigem Gesicht und schrecklich entstelltem Körper“ durchs Haus schleppte. Das häusliche Leben mit all seinen banalen Verpflichtungen langweilten ihn und vertrieben ihn aus dem Haus. 

 

Zunächst ahnt Constance Wilde nichts von der intimen Freundschaft zwischen Bosie und ihrem Mann. Das Pärchen findet genügend Mittel und Wege ihren Neigungen zu frönen, nicht nur miteinander, sondern auch mit wechselnden Partnern aus den homosexuellen Kreisen, in denen sie verkehrten.

Sie lebten sich auseinander und Constance zog mit den Kindern fort.

 

Am 19. Februar 1896 reist sie aus Genua an um ihm die traurige Botschaft vom Tod seiner Mutter mitzuteilen. Zu dieser Zeit sitzt Oscar Wilde bereits im Gefängnis. Während seines Aufenthaltes dort sucht er die Versöhnung mit seiner Frau auf. 

Er schreibt einen reumütigen Brief, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihr und vor allem seinen Söhnen. Sie selbst knüpft Bedingungen an einen Vertrag, der ein Treffen ermöglicht, die für Oscar Wilde unannehmbar waren. Das sofortige unterlassen der Beziehung zu jenem Mann der ihre Ehe zerstört hat.

 

Sie bezeichnet ihn als „diese Bestie..., ich möchte ihn nicht anders nennen.“

Oscar hält sich nicht an ihre Abmachung daraufhin streicht sie ihm die Leibrente und entzieht ihm entgültig die Kinder.

(aus "Oscar Wilde - Leben und Werk" von Norbert Kohl / Insel Verlag 2000)

 

"Es war sehr tragisch, ihren Namen in einem Grabstein gemeißelt zu sehen - ihren Vornamen, mein Name tauchte natürlich nicht auf. Ich war zutiefst bewegt - auch von dem Gefühl der Sinnlosigkeit aller Reue." Oscar Wilde

 

Unverhofft stirbt sie, 1898, bei einer Operation in Genua. Die Tür zu Oscars Kindern 

schließt sich nun für immer, eine Aussöhnung zwischen den Beiden hat nie stattgefunden. 

Auf dem Weg in die Schweiz besucht er ihr Grab und legt einige Blumen nieder

Constance Wilde wurde 1898 in Genua beerdigt, der Zusatz "Ehefrau Oscar Wildes" wurde erst 1963 hinzugefügt.

 

Rezitierte Auszüge der fiktionalen „Briefe“ zwischen ihr und ihrem Mann, dessen letzte Ruhestätte in Paris zu finden ist, wird über Stimmungsbilder gelegt. 

Anhand ruhiger Aufnahmen sowie langsamen Kamerafahrten, die ineinander übergehend zu einem schwerelosen poetischen Raum verschmelzen, wird das Gefühl in die jenseitige Welt in einem Garten der Toten und der Lebenden transportiert. Die Suche nach der Aussöhnung seinerseits sowie die dramatische Auseinandersetzung eines nicht gelösten Inneren Konfliktes zwischen Oscar und seiner Frau reflektieren über den Tod hinaus ein Bild der Schuldgefühle und der Hoffnung auf Annäherung. Verblasste Farbstimmungen schaffen eine atmosphärische Transparenz, die durch den gezielten Einsatz von Licht und Schatten unterstützt wird. Auf diese Weise manifestiert sich das Unsichtbare, das allgegenwärtige des Todes, die vergangene Generationen architektonisch in verschiedene Epochen der beiden Friedhöfe in Stein hinterlassen haben. Das Dilemma zwischen Oscar und Constance Wilde existiert über das Jenseits hinaus und die „Sinnlosigkeit aller Reue“ verblasst mit jedem Augenblick des Films. Die Friedhöfe bilden den Ort der Auseinandersetzung mit der Schuld und der Selbsterkenntnis, die Grenzen der Vergänglichkeit werden überwunden und verschmelzen mit der Gegenwart dieser beiden so unterschiedlichen Ruhestätten.